(am Beispiel meines III. Romans mit Titel-Spoiler am Ende)
Ich fürchte, ich habe Euch ein wenig verwirrt.
In den letzten Wochen postete ich abwechselnd Fotos meines fast fertigen Romanmanuskripts und freudige Countdowns, die die bis zur Abgabe verbleibende Zeit herunter zählten. Seitdem werde ich immer häufiger gefragt, ob man das Buch jetzt schon kaufen könne, beziehungsweise wann es endlich so weit sei.
Zunächst möchte ich mich aufrichtig bei allen bedanken, die diese Fragen stellen und gestellt haben: denn es gibt – Hand aufs Herz – für mich als Autorin nichts Schöneres als zu merken, dass jemand auf dieses Buch wartet, dass es da draußen Leute gibt, die sich auf seine Erscheinung freuen. Das ist ein weitaus größeres Glück als ich es mir jemals zu träumen gewagt hätte.
Umso mehr tut es mir leid, Euch auf das nächste Jahr vertrösten zu müssen. Keine Sorge, das liegt nicht daran, dass dem Verlag die Geschichte nicht gefällt oder ich irgendeine Krise habe. Nein, ganz im Gegenteil: es dauert tatsächlich einfach ziemlich lange, ein Buch „herauszubringen“. Um ehrlich zu sein: Als ich mein erstes Buch herausbringen durfte, hat mich diese Vorlaufzeit selbst überrascht.
Und jetzt dachte ich mir: Wenn ich Euch schon auf Roman III warten lasse, dann kann ich Euch wenigstens ein paar „Hintergrundinfos“ dazu liefern, warum das so lange dauert. Vielleicht habt Ihr Euch ja schon mal gefragt, was hinter den Kulissen so passiert?
Ich möchte also versuchen, anhand der Entstehung von Roman III zu erzählen, warum es so lange dauert, bis so ein Buch tatsächlich im Handel aufliegt. Bitte bedenkt: Ich kann natürlich nur für mich sprechen. Bei anderen Autoren oder Verlagen läuft das alles oft ganz, ganz anders ab.
Phase 1: Ein Manuskript schreiben (März 2016 - April 2018)
Das ist wahrscheinlich wenig überraschend. Bevor aus einer Idee ein Buch werden kann, braucht es natürlich ein Manuskript. Wie dieses zustande kommt, ist von Autor zu Autorin und von Buch zu Buch völlig verschieden. Manche Autoren erzählen ihren Verlagen von der ersten Idee, andere schreiben im Geheimen und schlagen plötzlich mit einem Manuskript auf. Manche machen sich jahrelang Pläne und schreiben den Text dann innerhalb weniger Wochen nieder, andere schreiben Satz für Satz sehr bedacht und langsam, und wieder andere (und zu diesen zähle ich) schreiben und löschen und schreiben und löschen und stehen dann nach zig Fassungen mit einem Manuskript da. Dieser Prozess dauerte bei „Blasmusikpop“ 18 Monate, bei „Makarionissi“ 13 Monate und bei Roman III 25 Monate.
Phase 2: Manuskriptabgabe 1 & Lektorat 1 (April 2018 – Juni 2018)
Im April ’18 war es schließlich so weit und ich konnte meiner Lektorin die Erstfassung des Romans abgeben. Was meine Lektorin betrifft, so habe ich das wahrscheinlich größte Glück der Welt: Sie ist unfassbar kompetent, liest genauer als jeder andere mir bekannte Mensch und hinterfragt sowohl die Geschichte im großen Ganzen als auch jeden einzelnen Satz. Nicht, um mir dann eine Liste an Dingen vorzulegen, die ich anders machen muss, sondern um mir erkennen zu helfen, ob denn alles am richtigen Platz steht: ob sich die Ideen und Verknüpfungen aus meinem Kopf auch nachvollziehbar im Text niederschlagen. Lektoren zerbrechen sich über jedes Detail den Kopf, damit der Autor seinen Roman durch ihre Anmerkungen aus einiger Distanz betrachten kann. In der ersten Runde stellt meine Lektorin dabei auch große Fragen, die etwa bei Roman III dazu führten, dass ich die Hauptfigur ganz anders konzipiert und drei von 20 Kapiteln völlig neu geschrieben habe. Und das ist ein Segen für die Geschichte!
Über sechs Wochen brütete meine Lektorin über dem 550-seitigen Manuskript, ehe sie es mir mit Anmerkungen versehen zurückschickte. Dann trafen wir uns in Köln und sprachen zwei Tage lang über den Text. Das ist mitunter der anstrengendste, aber auch der schönste Teil der Arbeit: wenn man erstmals mit einem anderen Menschen über all das sprechen kann, was man sich jahrelang im stillen Elfenbeinturm zusammengereimt hat. Ein guter Lektor (das ist allgemein gültig) wird einem Autor niemals vorschreiben, was er ändern muss. Ein guter Lektor wird einem Autor hingegen immer dabei helfen, zu verstehen, wie er das Beste aus seinem eigenen Text herausholen kann.
Phase 3: Überarbeitung 1 (Juni 2018 – August 2018)
Seit dem Lektorat Anfang Juni sitze ich nun über den Anmerkungen meiner Lektorin und vor allem über vielen neuen eigenen Ideen, die sich aus den Anmerkungen und Gesprächen ergaben.
Im ersten Schritt habe ich nun die 550 Seiten auf 380 gekürzt, im zweiten Schritt drei Kapitel neu geschrieben, im vierten Schritt alle offensichtlichen Probleme überprüft, im fünften, sechsten, siebten, achten und … Schritt das ganze neue Manuskript gelesen und gelesen und gelesen und geschaut, was man wo noch eleganter machen könnte.
Phase 4: Lektorat 2 (August 2018 – September 2018)
Ein Segen ist, dass mein Verlag es ermöglicht, eine zweite Lektoratsrunde zu drehen. Das ist keine Selbstverständlichkeit, aber gerade für so umfangreiche Romane wie die meinigen sehr wichtig, weil in der ersten Runde oftmals etwas übersehen wird.
Anfang August wandert das Ziegelsteinchen also abermals zur Lektorin, und nun wird sie wahrscheinlich vermehrt auf Metaphern, Sprache und Stilmittel achten. Nicht mehr die großen Fragen der Konzeption, sondern feine Detailarbeit steht nun im Vordergrund. Bei 500 Seiten übersieht man nämlich als Autor leicht, dass man eine Figur mit der Nase zwinkern oder ihre Augenbrauen klimpern lässt.
Phase 5: Überarbeitung 2 (September 2018 – Oktober 2018)
Und wieder grüßt das Murmeltier. Nun steht die zweite Runde der Überarbeitung an, die auch die nervenzehrendste ist, denn man weiß: Alle großen und kleinen Änderungen müssen jetzt passieren. Was erst gedruckt ist, wird die nächsten Jahrzehnte so schnell nicht wieder verschwinden. Das ist zwar natürlich ein Privileg, fühlt sich in Momenten der Arbeit am Manuskript aber wie ein Fluch an. Manche Autoren sind da angeblich relativ cool, man wird mit den Jahren wohl auch entspannter, doch für mich ist der Gedanke, die Verantwortung für einen Text abzugeben, der reinste Alptraum. Doch Mitte Oktober wird Schluss sein mit lustig, denn dann kommt der satzfertige Text in die Herstellung.
Phase 6: Der Satz (Oktober 2018)
„Satz“ bedeutet, dass das Manuskript nun in die Herstellungs-Abteilung wandert und von einem Profi „gesetzt“ wird. Sprich: der Text wird so angeordnet, wie er dann im gedruckten Buch stehen wird.
Phase 7: Die Fahnen (November 2018, ev. auch Dezember)
Setzer sind allerdings auch nur Menschen und oft passieren im Satz deshalb kleine Fehler: Worte können abgeschnitten werden, Trennungen nicht stimmen, Zeilen überhängen, und und und. Deshalb werden die sogenannten „Fahnen“, also das gesetzte, aber noch nicht gedruckte Buch, vom Kurierdienst zum Autor nachhause gebracht. Jetzt helfen alle zusammen: Der Autor, der Lektor, der Korrektor (übrigens zwei verschiedene Personen, Berufe bzw. Funktionen: der Lektor hat den Text in seiner Gesamtheit im Blick, der Korrektor ist der Spezialist für Rechtschreibung und Satz) und manchmal auch andere Spürnasen lesen die Fahnen x-Mal durch, um auch die allerletzten Fehler zu eliminieren.
Ich sag es gleich: Fahnenlesen hasse ich am meisten. Denn da ist meine Panik, etwas zu übersehen, am allergrößten, weswegen ich, wenn ich Fahnen in der Hand habe, Tag und Nacht darüber sitze. Bei „Makarionissi“ war das so schlimm, dass ich, wie ich mich erinnere, nachts vor dem Einschlafen den gesetzten Text vor Augen sah. Bis heute weiß ich bei manchen Wörtern genau, auf welcher Seite und wo auf der Seite sie stehen. Es brennt sich ein wie Säure.
Phase 8: Der Druck (Dezember 18?)
Wenn alle zufrieden sind und die Druckerei droht: „Wenn ihr uns das jetzt nicht schickt, wird es bis zum anvisierten Erscheinungstermin nicht mehr fertig “, dann werden die Fahnen an die Druckerei gegeben und das Buch schlussendlich gedruckt.
Phase 9: Die Auslieferung (Frühjahr 2019)
Je nachdem, wann das Buch erscheinen soll, muss es natürlich rechtzeitig an alle Buchhandlungen in Deutschland, Österreich, der Schweiz und Südtirol ausgeliefert werden, die es zum festgesetzten Termin verkaufen wollen.
Das ist meines Erachtens eine logistische Meisterleistung und auch einer der Gründe dafür, warum Amazon Bullshit ist: Die Logistik der Auslieferungen an Buchhandlungen ist ausgeklügelter, intelligenter und meist sogar schneller als dieser Online-Versand-Bösewicht jemals sein wird.
Phase 10: Habemus librum! (Frühjahr 2019)
Und nachdem dieses Buch also tausende Male vom Autor, hunderte Male vom Lektor und zehnfache Male vom Korrektor durchgelesen und überprüft wurde; nachdem die Herstellungs-Abteilung ihr Bestmögliches tat, es ein schönes Objekt werden zu lassen; nachdem Marketing, Werbung, Presse, Vertrieb und Online-Abteilung mit vereinten Kräften sicher gingen, dass es möglichst viele Leser findet, denen es eine gute Zeit bereiten kann – nachdem all dies geschah, wird das Buch schließlich veröffentlicht.
Es gibt das Sprichwort: „Einer hat immer die Arbeit. Entweder der Autor oder die Leser.“
Mein Verlag und ich sind uns darin einig, dass der Autor (und mit ihm der Verlag) die Arbeit haben soll. Und daher wird im Hintergrund eben fast ein Jahr an dem Buch gefeilt, damit der Leser am Ende den größtmöglichen Genuss daraus ziehen kann.
Wichtig ist hier erneut, dass all dies nur für mich gilt. Ich hab auch Kollegen, die schreiben sehr bedacht, Satz für Satz, und die Lektoren redigieren dann nur noch einzelne Kommata. Soll auch vorkommen, das hängt sowohl vom Autor als auch vom Schreibstil und vom „Typ“ des Buches ab. Und wahrscheinlich auch von der Erfahrung. Manche erfahreneren Autoren erzählen mir, dass man mit den Jahren immer genauer zu arbeiten lernt. Ich möchte ihnen glauben und hoffe, dass ich irgendwann mal etwas ruhiger werde und nicht während der Überarbeitungsphasen in der Nacht aufspringe, weil ich überprüfen muss, ob ich das periphere Detail auf Seite 359 eh genau so und nicht anders beschrieben habe.
Wann genau das Buch nun erscheint, ob Feber, März, April oder Mai, das entscheidet der Verlag in den nächsten Wochen. Dann werden wir auch langsam beginnen, eine kleine (bzw. wenn das Interesse da ist, gern auch eine große) Lesereise zu organisieren. Ich komme gerne überall hin! (Mit zwei Ausnahmen, aber sonst wirklich gerne überallhin.)
Einstweilen kann ich Euch allerdings schon den Titel verraten, den Roman III tragen wird:
„Rückwärtswalzer oder Die Manen der Familie Prischinger“
Cover gibt es auch schon, aber daran feilen wir noch ein bisschen. Nur so viel: Es ist das erste Mal, dass ich mich auf Anhieb und ohne Zögern, Zaudern oder Zweifeln in einen Cover-Entwurf verliebt hab … Bald mehr!
PS: Wenn ich von Autoren und Lesern schreibe, meine ich selbstverständlich ebenso Autorinnen und Leserinnen sowie alle Schreibenden und Lesenden, die sich mit keinem der beiden Geschlechter identifizieren. Die konventionelle Form des Maskulinum verwende ich ausschließlich, um den Lesefluss ökonomischer und angenehmer zu gestalten.
Vea Kaiser wurde 1988 geboren und lebt in Wien. 2012 veröffentlichte sie ihren ersten Roman Blasmusikpop oder Wie die Wissenschaft in die Berge kam, … weiterlesen
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