Ich hatte mich riesig gefreut, dass ich für die österreichische Frauenzeitschrift Woman, die ich im übrigen gerne lese, eine Sommer-Lovestory schreiben durfte. Das hat sehr viel Spaß gemacht, und ich glaube, die Geschichte ist auch gut gelungen.
Nur als ich das Belegexemplar bekam und es aufschlug, stach mir etwas ins Auge. Die Geschichte wurde angekündigt mit den Worten:
„Im zweiten Teil unserer Serie erzählt das ‚österreichische Fräuleinwunder der Literatur‘ Vea Kaiser …“.
Mir hat’s den Magen umgedreht. Fräuleinwunder? Wirklich?
Leider ist das ja nicht das erste Mal, dass ich mit diesem Begriff bezeichnet werde. Der verfolgt mich seit 7 Jahren. Und jedes Mal hab ich mich geärgert, jedes Mal hab ich mich ein wenig herabgesetzt gefühlt. Nie hab ich etwas gesagt. Und das war im Nachhinein einfach falsch, denn mit meinem Schweigen hab ich wahrscheinlich dazu beigetragen, dass dieser unsägliche Begriff weiterbenutzt und weiterverbreitet wird.
Denn in Wahrheit ist dieses Wort vor allem eines: diskriminierend und herablassend.
Warum?
Als „Fräuleinwunder“ bezeichneten die amerikanischen Medien in den 50er-Jahren eine neue Generation junger, attraktiver, kesser und sexy Frauen aus Nachkriegsdeutschland. Er kommt aus dem Kontext der Miss-Wahlen und bedeutete vor allem eines: dass diese Frauen begehrenswert sind. Hübsche, blonde, freche, flirty Ladies …
1999 verwendete dann Volker Hage diesen Begriff im Spiegel, um eine neue Generation deutscher Autorinnen zu bezeichnen, die das Erzählen wieder populär machten: Judith Hermann, Karen Duve, Mariana Leky, Alexa Henning von Lange, Zoe Jenny, Juli Zeh. Meines Wissens haben sich fast alle der angesprochenen Autorinnen von diesem Begriff distanziert, im deutschen Feuilleton wurde er in der Folge immens kritisiert – und das zurecht.
Zum einen schwingt durch seine Herkunft immer noch dieses Bild einer „sexy, kessen Frau“ mit. Und das bin ich ja gern privat für meinen Ehemann. ABER: Was hat das mit der Leistung einer Frau als Schriftstellerin zu tun? Es ist ja sowieso schon ein Unding, dass man in Beschreibungen von Autorinnen immer liest, wie sie angezogen sind, wie ihre Figur geformt ist, wie sie sich bewegen, etc. Aber dass man das auch noch mit so einem Etikett zementieren muss? Und die Haarschnitte von männlichen Autoren interessieren ja auch niemand, warum muss man dann ein Autorinnenporträt mit derlei Information bestücken, anstatt sich dem Werk vertiefend zu widmen?
Vor allem aber: Warum ist es ein Wunder, dass junge Frauen auch erfolgreiche Romane schreiben? Was mich so stört, ist, dass der Begriff „Fräuleinwunder“ andeutet, dass es etwas außergewöhnliches und abnormales sei, wenn junge Frauen Bücher veröffentlichen. Ein Wunder halt. Aber wenn man Studien glauben darf, dann ist es eher ein Wunder, dass junge Männer Bücher schreiben. Buben schneiden in sprachlichen Schulfächern viel schlechter ab als Mädchen und lesen eklatant weniger. Aber wo bleibt das „Burschiwunder?“ Wo bleibt die „Sexy-Boy-Literatur“? Wenn Sie jetzt denken, dass solche Etiketten ja die literarische Leistung schmälern würden, dann verstehen Sie das Problem, das ich mit diesem Begriff habe.
Er zeugt von mangelndem Respekt. Und hey, niemand muss meine Texte mögen. Ich weiß, dass es viele Menschen gibt, die mit meiner Schreibweise nichts anfangen können oder die mich als Person ablehnen. Das ist völlig ok, aber nichtsdestotrotz darf auch ich als Frau und Autorin darum bitten, mich in diesen beiden Identitäten mit Respekt zu behandeln.
Ich bin 30 Jahre alt, habe drei Romane zu 490, 460 und 420 Seiten veröffentlicht. Alle drei erklommen Platz 1 der österreichischen Bestseller und in Deutschland die Top 35. Sie wurden in verschiedene Sprachen übersetzt, der erste wird verfilmt. Ich hab einen Bachelor in Altgriechisch, einen zweiten Bachelor in Germanistik und einen Master in Klassischer Philologie. Seit fünf Jahren schreibe ich dazu eine reichweitenstarke Kolumne und habe unzählige Essays und Kurzgeschichten veröffentlicht. Das alles ist kein Wunder eines Fräuleins, sondern harte Arbeit eines Menschen.
Und dieser Mensch hat halt Brüste. Und allein wegen derer wird man zum „Fräuleinwunder“?
Das mag ja eine Zeit lang ganz lustig gewesen sein, aber hey: Es ist 2019. Bitte können wir langsam einen Schritt vorwärts machen und uns endlich von diesem Begriff verabschieden? Ich fühl mich wirklich zu alt dafür und ich würde mich wirklich freuen, wenn nachkommenden jungen Autorinnen dieses Gefühl erspart bleibt, irgendwie weniger wert zu sein, weniger ernst genommen zu sein, nur weil man halt eine Frau ist.
Vea Kaiser wurde 1988 geboren und lebt in Wien. 2012 veröffentlichte sie ihren ersten Roman Blasmusikpop oder Wie die Wissenschaft in die Berge kam, … weiterlesen
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