Morgen, Samstag (14.03.) erscheint zum ersten Mal eine Kolumne aus meiner Feder, die in der Sekunde ihres Erscheinens schon nicht mehr aktuell sein wird. Das passiert mir das erste Mal in fünfeinhalb Jahren als Kolumnistin, und es ist ziemlich blöd. Dafür möchte ich mich von ganzem Herzen bei alle meinen Leserinnen und Lesern entschuldigen!
Die Freizeit ist das Schmuckkästchen des Kurier, dementsprechend wird sie besonders hochwertig produziert. Zudem ist sie eine Beilage, und daher haben wir als Beitragende eine gewisse Vorlaufzeit zur Abgabe: Das heißt, wir geben unsere Texte 10 bis 6 Tage vor Erscheinen der neuen Nummer ab.
Diese Woche ist es passiert, dass mich die Welt überholt hat.
Als ich vergangenes Wochenende meine Kolumne schrieb, war ich noch völlig optimistisch (das ist ja eine meiner größten Stärken und Schwächen), dass sich die Virus-Situation in Österreich nicht zuspitzen wird, dass es keinen großen Grund geben wird, das Leben allzu stark einzuschränken, und dass das oberste Gebot ist, nicht hysterisch oder panisch zu werden. Zu Letzterem stehe ich immer noch, doch Ersteres hat sich zwischen Abgabe der Kolumne und dem heutigen Tag dramatisch verändert.
Was ich vergangene Woche schrieb – dass ich mein Leben wie gehabt weiterführe –, ist nicht mehr aktuell. Zum Teil, weil das nicht möglich wäre, zum Teil, weil das auch einfach dumm und fahrlässig wäre. Mittlerweile haben meine Veranstalter und ich fast alle Lesungen/Reden/Auftritte der kommenden Zeit abgesagt. Und da ich mit einem Arzt verheiratet bin, der einem höheren Ansteckungsrisiko ausgesetzt ist und ich ihm dann ja doch sehr nahe komme, habe ich auch meine Sozialkontakte sehr eingeschränkt und nehme Abstand von älteren und geschwächten Menschen. Nicht, weil ich Angst habe um meine eigene Gesundheit, sondern weil wir alle zusammenhalten und besonnen vorgehen müssen, um diejenigen zu schützen, die für dieses Virus nicht so gut gewappnet sind. Dieser Tage/Wochen heißt das für uns alle, unseren persönlichen Lebensstil genau zu überdenken und gegebenenfalls zu verändern.
Im zweiten Teil meiner Kolumne habe ich allerdings darüber spekuliert, was man alles Tolles machen könnte, wenn man gezwungen wäre daheimzubleiben. Ich schrieb vor allem darüber, dass Zeit zuhause, Zeit ohne Sozialkontakte vor allem Lesezeit ist. Und ja, das ist sie auch!
Doch was lesen?
Hier ein paar Anregungen, wie man diese Situation besonders herrlich verlesen könnte:
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Brandaktuelle Literatur / Dass fast alle Literaturveranstaltungen und Lesungen der nächsten Wochen abgesagt wurden, ist ein zum Teil existenzbedrohendes Problem für AutorInnen, die gerade ein frisches Buch herausgebracht haben, dieses nun aber nicht promoten können. Unterstützen wir sie, lesen wir die Neuerscheinungen des Frühjahrs 2020!
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Klassiker, die im Bücherregal harren / Ihr kennt das doch auch: da stehen ganz oben so ein paar alte Ausgaben, vielleicht aus dem Antiquariat, vielleicht vom Flohmarkt, von so berühmten Büchern oder Kanonwerken der Literaturgeschichte. Man hat sich seit Jahren vorgenommen hat, sie zu lesen, und hatte doch nie die nötige Zeit. Wann, wenn nicht jetzt?
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Folgewerke / Es gibt Bücher, die mich nachhaltig beeindruckt haben und nach deren Lektüre ich mir sofort vornahm, weitere Bücher von diesem Autor oder der Autorin zu lesen, und es bisher doch nicht gemacht habe.
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Fremdsprachige Literatur / Ich für meinen Teil kann Englisch, Italienisch, Latein und Altgriechisch lesen, doch um einiges langsamer als Deutsch, weswegen ich oft zur Übersetzung greife, um in meinem Tempo voran zu kommen. Doch dabei nimmt man sich die Chance, die Schönheit des Originals zu genießen. Jetzt ist die optimale Gelegenheit, die eigenen Sprachkenntnisse zu pflegen. Das hilft wahrscheinlich auch gegen das Fernweh, das vielleicht manche von Euch haben.
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Eine Literaturepoche oder Literaturtradition kennenlernen / Sich in eine ganze Epoche einzulesen, schafft man selten im täglichen Rhythmus. Doch dieser Tage könnte man sich die liebliche Mühe machen, sich selbst eine ganz neue literarische Welt zu erschließen: zwei oder drei verschiedene Texte, etwas Sekundärliteratur, Weiterbildung als LeserIn, wenn man so will.
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Einen großen Denker oder schwierigen Autor verstehen / Stichwort Weiterbildung: Mit mehr Lesezeit könnte man sich auch an einen Denker/eine Autorin wagen, der oder die einem bisher verborgen blieb, indem man sich mit Sekundärtexten, Einführungen und den Hauptwerken vertraut macht.
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Das Bücherregal ausräumen, abstauben, und dann diejenigen Werke lesen, die man noch nicht gelesen hat und immer schon unbedingt lesen wollte.
Vea Kaiser wurde 1988 geboren und lebt in Wien. 2012 veröffentlichte sie ihren ersten Roman Blasmusikpop oder Wie die Wissenschaft in die Berge kam, … weiterlesen
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